Das Kohlekraftwerk Plomin an der Ostküste von Istrien

claus-juergen

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Landkreis Augsburg und Liznjan/Istrien
Millionen Urlauber verbringen jedes Jahr ihren Urlaub in Istrien und der Kvarner Region und geniessen Strand, Meer und Sonne. Keiner macht sich darüber Gedanken, woher denn eigentlich der Strom kommt, der zum Unterhalt der touristischen Infrastruktur einschließlich tausender Klimaanlagen oder Umwälzpumpen für die Schwimmbäder oder andere technische Geräte benötigt wird.

Um Istrien, welches über eine feste Einwohnerzahl von ca. 250.000 Menschen, im Sommer jedoch ein Vielfaches davon, mit Strom zu versorgen, wurde bereits im Jahr 1970 ein Kohlekraftwerk in der Nähe des Dorfes Plomin am gleichnamigen Meeresarm östlich von Labin gebaut. Heute wird dort in zwei Kraftwerksblöcken von 120 MW und 210 MW Strom aus importierter Steinkohle produziert.

Eigentümer der Anlage sind neben dem regionalen Stromanbieter HEP auch der deutsche Stromriese RWE.

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Dieses Bild vom Kraftwerk mit dem 340 Meter hohen Kamin, der zugleich das höchste Bauwerk in Kroatien ist, kann man nur vom Wasser oder dem Beginn des Meeresarms aus sehen.

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Die Kohle wird mittels großer Schüttgutfrachter aus Übersee angelandet und im Krafterk verfeuert.

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Gegenüber der Anlandestelle befindet sich der Badestrand von Plomin Luka. Hier der Link zum in einem früheren Bericht vorgestellten Strand:

http://www.adriaforum.com/kroatien/istrien-plomin-luka-ein-etwas-anderer-badeort-t65066/

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Das Gelände ist nur zum Teil abgesperrt, so daß man relativ nah an das Kraftwerk herankommt.

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Die Kohle wird in einem geschlossenen Förderband vom Schiffsanleger bis zum Kraftwerk transportiert und unter freiem Himmel zwischengelagert.

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Blick auf die Kohlehalde. Im Hintergrund das teilweise verfallene Städtchen Plomin am Hang gelegen. Elma hat einen schönen Reisebericht über den Ort erstellt. Hier der Link dazu:

http://www.adriaforum.com/kroatien/verlassen-und-vergessen-plomin-t65588/

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Das Kohlekraftwerk wurde vor mehr als vierzig Jahren nicht wegen des tiefen Fjords und der günstig gelegenen Schiffsanlegestelle an diesem Ort gebaut, sondern weil in und um Labin bereits in österreichischer Zeit Kohle abgebaut wurde. Diese Kohle musste dann zerkleinert und für das Kraftwerk aufbereitet werden. Aus dieser Zeit und auch aus der Zwischenkriegszeit, als Italien Istrien besetzt hatte, stammen noch alte Bauten. Die Italiener transportierten diese Kohle ins Kernland. Heute ist, wie auch in Deutschland Importkohle billiger als die vor Ort geförderte. Deshalb wurden die Gruben der Gegend schon vor einiger Zeit geschlossen.

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Neben Abgasen, die über den Kamin in die Luft geblasen werden, fällt eine Unmenge an Asche an, die wiederum über ein Förderband am westlich gelegenen Hang offen abgelagert wird.

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Rechts neben der Kohlehalde kann man Plomin Luka, den kleinen Ort am Ende des Fjords und am Hang den namensgebenden Ort Plomin erkennen.

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Das Besondere an diesem Krafterk ist die Kühlung. Anders als bei den meisten Wärmekraftwerken wird die Abwärme nicht über Kühltürme an die Luft abgegeben, sondern Meerwasser wird abgepumpt und über einen Kanal ins Kraftwerk zur Kühlung geleitet. Anschließlich fliesst das erwärmte Wasser wieder ins Meer zurück.

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Diese beiden Ansichten kann der auf der Jadranska Magistrale vorbeifahrende sehen, kurz nachdem er Labin in Richtung Rijeka passiert hat. Im Hintergrund befindet sich die Insel Cres.

Inwiefern das Kraftwerk den neuesten Anforderungen an Effizienz entspricht, kann ich nicht sagen. Ich will mit diesem Bericht auch nicht eine Diskussion für oder wider Kohle zur Stromerzeugung starten. Mir ging es einfach darum, einmal zu erklären, daß auch in Istrien der Strom nicht einfach aus der Steckdose kommt.

Im Herbst 2012 haben wir den Kühlwasserkanal noch mal genauer in Augenschein genommen. Die folgenden Bilder sind dabei entstanden. Wir sind dazu entlang der Straße, die den Kanal begleitet gefahren.

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Nach etwa 1,5 Kilometer gelangt man an das Kohleterminal, wo glaublich ein bis zwei mal im Monat ein Frachter mit Kohle entladen wird. Die Kohle ist lose im Frachtraum des Schiffs geladen und wird anscheinend mittels eines Saugrüssels herausgesaugt.

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Der Kühlwasserkanal reicht noch ca. einen Kilometer über diese Stelle hinaus bis ans offene Meer und beginnt in ca. 20 Meter Meereshöhe.

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Darunter befindet sich das Pumpenhaus, wo eine gewaltige Menge Meerwasser hochgepumpt wird um dann im Kanal mit geringem Gefälle bis ins Kraftwerk zu fliessen.

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Schon von weitem hört man einen ziemlichen Lärm. Das Pumpenhaus ist zwangsbelüftet, weil scheinbar Abwärme beim Betrieb der Anlage entsteht.

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Unterhalb des Gebäudes befindet sich ein Schott, mit welchem die zu den Pumpen führenden Rohre abgesperrt werden können. Um zu verhindern, dass Schwemmgut und größere Teile mit eingesaugt werde, wurde ein Rechen, wie es sie auch bei Wasserkraftwerken gibt, eingebaut.

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Der Schaum entsteht scheinbar durch das Umwälzen des Meerwassers. Schon einen Kilometer weiter ist das Wasser im Kanal schaumfrei.

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Hier noch einmal das gesamte Kraftwerk mit Umspannwerk und dem Kühlwasserkanal.

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Ich hoffe, mit diesen Bildern meinen Bericht für die Technikfreunde unter euch entsprechend ergänzt zu haben.

Meines Wissens gibt es Bestrebungen, dass bestehende Kohlekraftwerk um einen gasbetriebenen Block zu erweitern. Warten wir ab, ob dieser Block gebaut wird.

Meiner Meinung nach gibt es heute umweltfreundlichere Möglichkeiten der Stromerzeugung als fossile Energieträger zu verfeuern. Dies gilt gerade für das sonnenverwöhnte und windreiche Küstengebiet Kroatiens.

Jürgen
 
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Franto

Guest
Danke für den auch fotografisch hervorragenden Bericht über das Kraftwerk.

Dazu noch einige Anmerkungen: Mit der stark schwefelhaltigen istrianischen Glanzkohle (4, bis teilweise 8 Prozent S) war das Kraftwerk nach seinem Bau so ziemlich die größte Dreckschleuder. Wenn ich mich an die damaligen Berechnungen zurück erinnere, emittierte das Kraftwerk um 1985 rund 14.000 Tonnen SO2 pro Jahr! Der ursprünglich etwa 180 Meter (?) hohe Kamin wurde dann anläßlich des Baues des zweiten Blocks durch den heutigen 314 Meter hohen ersetzt um die Emissionen durch den stets wehenden Wind über die Bucht hinaus breitflächig zu verteilen. ("The best solution to pollution is dilution", :))
Um 1995 (?) wurde dann auch die erste ordentliche Rauchgas-Entschwefelungsanlage - von einem österreichischen Unternehmen -gebaut.
Etliche Aufregung gab (und gibt) es seit etwa 2000, als sich heraus stellte, dass zahlreiche Eigenheim-Bauer der ganzen Gegend sich "unter der Hand" Flugaschen und Schlacken von den Halden besorgt hatten - und plötzlich in ihren Häusern eine erhöhte Radioaktitität, vor allem durch Radon, festgestellt wurde. No, na! Nicht nur in Istrien gibt es in Bergbaugebieten häufig geogen erhöhte Radioaktivität auf den Halden. Dazu braucht man erst gar nicht nach Aue ins sächsische Erzgebirge zu fahren :)

Derzeit ist geplant, den Kraftwerkskomplex um einen 500 MW Gaskraftwerks-Block (Block III) zu erweitern. Bekanntlich ist die Erdgasleitung aus Innerkroatien nach und durch Istrien schon fertig und führt unweit von Plomin vorbei. Doch lustiger Weise agitieren "Verhinderungs-Umweltschützer" gegen das Gaskraftwerks-Projekt. Von dem keine schädlichen Emissionen, nicht einmal in Form von abzulagernder Schlacke, anfallen würden.
Warum der Standort für den Gaskraftwerks-Block gewählt wurde ist, dass dort schon einschließlich der Hochspannungsleitungen - die auf 400 kV aufgerüstet werden - die Infrastruktur besteht, die an anderen Standorten erst teuer neu zu errichten wäre. Einschließlich der ganzen Kühlwasserproblematik...
 

claus-juergen

Globaler Moderator
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Derzeit ist geplant, den Kraftwerkskomplex um einen 500 MW Gaskraftwerks-Block (Block III) zu erweitern. Bekanntlich ist die Erdgasleitung aus Innerkroatien nach und durch Istrien schon weitgehend fertig und führt unweit von Plomin vorbei. ...
---Warum der Standort für den Gaskraftwerks-Block gewählt wurde ist, dass dort schon einschließlich der Hochspannungsleitungen - die auf 400 kV aufgerüstet werden - die Infrastruktur besteht, die an anderen Standorten erst teuer neu zu errichten wäre. Einschließlich der ganzen Kühlwasserproblematik...

hallo franto,

ist die über das ucka-massiv in den letzten jahren gerodete schneise westlich des poklon-passes der grund dafür, daß dort die gasleitung nach istrien verlegt wurde? woher soll denn das gas kommen? etwa aus der neuen south stream oder nabucco-pipeline, deren realisierung ja noch in den sternen steht? bisher ist gas doch insbesondere in den wintermonaten gelegentlich knapp im land, weil kroatien über die ukraine als transitland aus russland versorgt wird. das flüssiggasterminal, welches auf krk geplant war, liegt ja auch derzeit auf eis.

erwähnt werden sollte in diesem zusammenhang auch, daß ein für mich als laie modernes umspannwerk vor einigen jahren direkt neben dem kraftwerk errichtet wurde.

grüsse

jürgen
 
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Franto

Guest
Servus Jürgen!

Exakt, die Schneisen der neuen Erdgasleitung (75bar) von Innerkroatien westwärts von Rijeka nach Istrien sind an den Westabhängen der Ucka und weiter bis nach Pula derzeit noch deutlich in der Botanik zu sehen. Von Pula nordwärts wird auch schon die 50bar-Stichleitung bis Umag gebaut. (Anm.: Porec hatte schon einmal ein eigenes Gaswerk bis 1928!):)

Kroatien hat derzeit schon einen Anschluss an die von Österreich (bei Wildon) nach Slowenien führende Stichleitung aus dem durch Östertreich nach Italien führenden Transitstrang und weitere Leitungsanschlüsse insbesondere aus Ungarn bei Cakovec sind ebenso wie in Ostslawonien bei Osijek aus Ungarn.
Kroatien selbst fördert pro Jahr - in Westslawonien - selbst etwa 2,5 Mrd m^3 Erdgas und verfügt schon jetzt über ein Hochdruckleitungssystem von Slawonisch Brod nordwärts bis Zagrab und Karlovac sowie nun nach Pula.

Derzeit wird das importierte Gas von Russland über Österreich/Slowenien und Ungarn bezogen. Mit Russland gab es ja dieszüglich nie Probleme, sondern nur mit den ukrainischen Wegelagerern, die für Westeuropa bestimmtes Transitgas Jahre lang ohne Bezahlung gestohlen hatten bis die Russen die Lieferung einstellten. (Was 2008 die Frau Merkel bei ihrer Russland-Beschimpufung "vergessen" und verschwiegen hatte, dass über die Yamal-Leitung über Weißrussland und Polen sogar mehr russisches Erdgas nach DE kam als vertraglich vereinbart war!)).

Eine der Lehren aus den durch die Ukraine, nicht Russland, verursachten Kalamitäten zu Jahresbeginn 2008 war und ist, dass die Verdichterstationen etwa der in und durch Österreich führenden Transitgasleitungen auch "verkehrt" zu arbeiten in der Lage sein müssten: Bis nach Österreich wird schon Nordsee-Gas im Verbund ebenso geliefert wie das russische Gas - allerdings bisher noch nicht etwa von Österreich nach Ungarn oder die Slowakei in die "verkehrte Richtung" technisch möglich. (Es hatte da 2008 bittere politische Vorwürfe gegeben, warum Österreich nicht von seinen großen Erdgasspeichern den Slowaken bzw. Ungarn "ausgeholfen" hatte). .

Dass der derzeitige LNG-Terminal auf Krk mit wenig Nachdruck verfolgt wird hängt eben auch mit den in Schwebe befindlichen großen Leitungsprojekten Nabucco und South Stream zusammen. Mein Tipp aus dem Bauchgefühl ist, dass South Stream trotz der politischen "westlichen" Querschüsse eher kommt als Nabucco; obwohl bei letzterem die österreichische OMV federführend und die EU dahinter ist...Mittelfristig, also um 2018 - 2020, werden beide für Mitteleuropa wichtige Leitungsmagistralen gebaut sein.

In Plomin ist das neue Umspannwerk schon für 400 kV ausgerüstet, was mit ein Motiv ist, dort den Gas-Kombikraftwerksblock hin zu bauen.
 
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