Herbstimpressionen aus Istrien
Teil IV
November 2004 in Istrien
Besuch in Zavrsje (Piemonte)
Bei unserem ersten Besuch in Istrien war es für uns ein Muss, das Städtchen Grosnjan (Grisignano) aufzusuchen. Und obwohl wir später auch Motovun besuchten, das natürlich mit einer atemberaubenden Lage aufwarten kann, ist für mich heute, nach unserem Istrienbesuch, Grosnjan die eigentliche Perle des Landesinneren. Bei der Ankunft in Grosnjan hatten wir noch keinen bestimmten Plan was wir an diesem Tag noch besuchen wollten. Ich jedenfalls hätte den ganzen Tag meinen Blick vom "Balkon" Grosnjan über das Mirna-Tal und seine lieblichen Ausläufer schweifen lassen können.
Aber dann gab uns Bruno, der Wirt des Cafes "Bastia" in Grosnjan, den Tipp, nach Motovun zu fahren und auf dem Weg das verlassene Städtchen Zavrsje (Piemonte) und den Ort Oprtalj (Portole) nicht zu versäumen.
Inzwischen weiß ich, dass in vielen Internet-Einträgen man alle diese Namen in einem Atemzug genannt findet. Es ist aber schwer zu glauben, dass deren Autoren Zavrsje tatsächlich durchstreift haben. Denn wer es unternimmt, verlässt den Ort erschüttert. Die begleitenden Fotos mögen diesen Eindruck vermitteln.
Aber eins nach dem anderen ! Kurz bevor wir nach Zavrsje kommen sollten, erregte eine Kapelle im Wald mit einem Friedhof meine Aufmerksamkeit.
Es war der Tag nach Allerheiligen, und wie überall in Kroatien waren die Gräber sehr reich geschmückt. Eine Gruppe von Senioren aus Italien, die gerade aus Richtung Zavrsje kam, entstieg einem Auto mit italienischem Kennzeichen, mit vielen Blumen und den typischen Grablichtern in den Händen.
Wir wollten nicht stören und setzten unsere Fahrt fort. Minuten später, als die Strasse den Wald verließ, bot sich uns ein atemberaubender Anblick:
im Vordergrund ein ausgedehnter Weinberg mit einem Gehöft auf dem Gipfel und dahinter ein Städtchen, malerisch einen Berg umhüllend.
Das sollte eine verlassene Stadt sein? Weithin strahlte der Turm der Kirche der gesegneten Jungfrau Maria am höchsten Punkt des Städtchens.
Dort, wo die Strasse zwischen der Kirche St. Rocco und einem ehemals vornehmen Haus auf der Rechten und dem Städtchen auf der Linken einen Knick macht, kann man vor der Kirche parken. Hier war schon deutlich zu spüren, dass dies tatsächlich kein gewöhnlicher Ort ist. Unser erster Kontaktversuch (mit slawischen Brocken) schlug fehl. Der Mann, den wir vor der Kirche an der Strasse ansprachen, verstand uns nicht und war bemüht, sich schnell zu entfernen.
Für unsere Eindrücke während des Durchganges mögen die Fotografien sprechen.
Es hätte ein Kleinod einer winzigen mittelalterlichen Stadt sein können. Jedoch gab es kaum ein Wohnhaus, das nicht zerstört worden war, sei es von seinen früheren Bewohnern oder später...
Dort, wo die einzige Strasse wieder zu unserem Parkplatz abstieg, gelang es uns, mit einem der heutigen Bewohner (in einer Art Russisch) ins Gespräch zu kommen. Nach seiner Auskunft wohnen heute ca. 40 Menschen in den wenigen noch unzerstörten Häusern. Die Mehrzahl der früheren Einwohner hätten Zavrsje 1948 verlassen.
Es tat uns jetzt Leid, nicht doch etwas beim Friedhof verweilt zu haben. Was hätten uns die Grabsteine berichten können?
Mich hat dieser Eindruck, fernab von den späteren Kriegsschauplätzen des früheren Jugoslawiens, nicht ruhen lassen. Inzwischen weiß ich, dass Istrien über die späten 40-er Jahre nur schwer zur Ruhe kam und in Zonen aufgeteilt war, um die hart gerungen wurde.
Die italienisch-stämmigen Bewohner des unter jugoslawischer Kontrolle stehenden Teils wurden vor die Wahl gestellt, entweder jugoslawische oder italienische Staatsbürger zu werden.
Hier in Zavrsje (Piemonte) haben sich die Menschen fast einheitlich entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Was mag in ihnen vorgegangen sein und was hat andere davon abgehalten, sich hier anzusiedeln?
Erst 2002 ist in dem Film "Napusteni grad" von Puhovski und Krcadinac die Geschichte der italienischen Minderheit in Kroatien in der Zeit der Zugehörigkeit zu Jugoslawien am Beispiel der Stadt Piemonte (Zavrsje) erzählt worden. Er wurde 2003 auf dem Filmfestival in Padova als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.
Die Stadt Zavrsje beherbergt selbst in ihrem jetzigen Zustand ein wertvolles, funktionstüchtiges historisches Detail, die älteste Orgel Istriens.
Der Blick auf die gepflegten Gärten und Weinberge milderte jedoch unsere Bedrücktheit. Die Fruchtbarkeit des Bodens, die Schönheit der Lage könnte diesen Platz eines Tages wieder lebenswert werden lassen und somit auch eine alte Wunde schließen.
Bericht: miho
Bilder: burki
Teil IV
November 2004 in Istrien
Besuch in Zavrsje (Piemonte)
Bei unserem ersten Besuch in Istrien war es für uns ein Muss, das Städtchen Grosnjan (Grisignano) aufzusuchen. Und obwohl wir später auch Motovun besuchten, das natürlich mit einer atemberaubenden Lage aufwarten kann, ist für mich heute, nach unserem Istrienbesuch, Grosnjan die eigentliche Perle des Landesinneren. Bei der Ankunft in Grosnjan hatten wir noch keinen bestimmten Plan was wir an diesem Tag noch besuchen wollten. Ich jedenfalls hätte den ganzen Tag meinen Blick vom "Balkon" Grosnjan über das Mirna-Tal und seine lieblichen Ausläufer schweifen lassen können.
Aber dann gab uns Bruno, der Wirt des Cafes "Bastia" in Grosnjan, den Tipp, nach Motovun zu fahren und auf dem Weg das verlassene Städtchen Zavrsje (Piemonte) und den Ort Oprtalj (Portole) nicht zu versäumen.
Inzwischen weiß ich, dass in vielen Internet-Einträgen man alle diese Namen in einem Atemzug genannt findet. Es ist aber schwer zu glauben, dass deren Autoren Zavrsje tatsächlich durchstreift haben. Denn wer es unternimmt, verlässt den Ort erschüttert. Die begleitenden Fotos mögen diesen Eindruck vermitteln.
Aber eins nach dem anderen ! Kurz bevor wir nach Zavrsje kommen sollten, erregte eine Kapelle im Wald mit einem Friedhof meine Aufmerksamkeit.
Es war der Tag nach Allerheiligen, und wie überall in Kroatien waren die Gräber sehr reich geschmückt. Eine Gruppe von Senioren aus Italien, die gerade aus Richtung Zavrsje kam, entstieg einem Auto mit italienischem Kennzeichen, mit vielen Blumen und den typischen Grablichtern in den Händen.
Wir wollten nicht stören und setzten unsere Fahrt fort. Minuten später, als die Strasse den Wald verließ, bot sich uns ein atemberaubender Anblick:
im Vordergrund ein ausgedehnter Weinberg mit einem Gehöft auf dem Gipfel und dahinter ein Städtchen, malerisch einen Berg umhüllend.
Das sollte eine verlassene Stadt sein? Weithin strahlte der Turm der Kirche der gesegneten Jungfrau Maria am höchsten Punkt des Städtchens.
Dort, wo die Strasse zwischen der Kirche St. Rocco und einem ehemals vornehmen Haus auf der Rechten und dem Städtchen auf der Linken einen Knick macht, kann man vor der Kirche parken. Hier war schon deutlich zu spüren, dass dies tatsächlich kein gewöhnlicher Ort ist. Unser erster Kontaktversuch (mit slawischen Brocken) schlug fehl. Der Mann, den wir vor der Kirche an der Strasse ansprachen, verstand uns nicht und war bemüht, sich schnell zu entfernen.
Für unsere Eindrücke während des Durchganges mögen die Fotografien sprechen.
Es hätte ein Kleinod einer winzigen mittelalterlichen Stadt sein können. Jedoch gab es kaum ein Wohnhaus, das nicht zerstört worden war, sei es von seinen früheren Bewohnern oder später...
Dort, wo die einzige Strasse wieder zu unserem Parkplatz abstieg, gelang es uns, mit einem der heutigen Bewohner (in einer Art Russisch) ins Gespräch zu kommen. Nach seiner Auskunft wohnen heute ca. 40 Menschen in den wenigen noch unzerstörten Häusern. Die Mehrzahl der früheren Einwohner hätten Zavrsje 1948 verlassen.
Es tat uns jetzt Leid, nicht doch etwas beim Friedhof verweilt zu haben. Was hätten uns die Grabsteine berichten können?
Mich hat dieser Eindruck, fernab von den späteren Kriegsschauplätzen des früheren Jugoslawiens, nicht ruhen lassen. Inzwischen weiß ich, dass Istrien über die späten 40-er Jahre nur schwer zur Ruhe kam und in Zonen aufgeteilt war, um die hart gerungen wurde.
Die italienisch-stämmigen Bewohner des unter jugoslawischer Kontrolle stehenden Teils wurden vor die Wahl gestellt, entweder jugoslawische oder italienische Staatsbürger zu werden.
Hier in Zavrsje (Piemonte) haben sich die Menschen fast einheitlich entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Was mag in ihnen vorgegangen sein und was hat andere davon abgehalten, sich hier anzusiedeln?
Erst 2002 ist in dem Film "Napusteni grad" von Puhovski und Krcadinac die Geschichte der italienischen Minderheit in Kroatien in der Zeit der Zugehörigkeit zu Jugoslawien am Beispiel der Stadt Piemonte (Zavrsje) erzählt worden. Er wurde 2003 auf dem Filmfestival in Padova als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.
Die Stadt Zavrsje beherbergt selbst in ihrem jetzigen Zustand ein wertvolles, funktionstüchtiges historisches Detail, die älteste Orgel Istriens.
Der Blick auf die gepflegten Gärten und Weinberge milderte jedoch unsere Bedrücktheit. Die Fruchtbarkeit des Bodens, die Schönheit der Lage könnte diesen Platz eines Tages wieder lebenswert werden lassen und somit auch eine alte Wunde schließen.
Bericht: miho
Bilder: burki